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Der sonst so stille Park war voller Leben: wir tanzten auf glattem Rasen zwischen buntbewimpelten Masten; wir spielten alte traute Kinderspiele unter dem Schatten der Bäume; und, müde geworden, verloren wir uns in den geschnittenen Buchengängen, vorbei an springenden Wasserkünsten und verwitterten Götterbildern. Blind und taub für die Welt um uns her, und doch wie gefeit durch die Weihe der Hohenzeit des Jahres, bewegten wir uns unter den Menschen.

Oft ging es in bekränzten Wagen weiter hinaus in die Wälder, oder an einen der ferneren Seen, von denen jeder uns schöner dünkte als der andere: der eine, weil er sich schmal und lang zum Horizont erstreckte, von freundlichen Dörfern rings umgeben, der andere, weil er einsam und dunkel zwischen bewaldeten Hügeln lag. Oder wir ritten am taufrischen Morgen mit verhängten Zügeln querfeldein, wo oft meilenweit kein Mensch uns begegnete, kein Haus zu sehen war, bis ein stattlicher Gutshof auftauchte, die ärmlichen Taglöhnerhäuser überragend, – ein verkleinertes Abbild von Schwerin. Wenn ich sie sah, pflegte ich schon von weitem Kehrt zu machen.

„Sie fürchten sich wohl vor den Dorfkötern?“ meinte bei solcher Gelegenheit eine schnippische Freundin. „Das traut mir wohl keiner zu,“ antwortete ich, „aber ich schäme mich vor den armen Leuten.“ Alles lachte; nur Hellmut wandte sich mir zu und sagte: „Das würden die armen Leute am wenigsten verstehen. Ich glaube, daß sie für uns nichts empfinden als Neugierde und Bewunderung.“

„Um so schlimmer! Ich verstehe sie nur, wenn sie

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Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/281&oldid=- (Version vom 31.7.2018)