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gräßlicher Gespenster … Nun stand sie vor mir, ganz, ganz dicht, die Weiße mit den Mondaugen, und eine Hand, wie von Eis und zentnerschwer, legte sich auf mein Herz. „Queen Mab“ schrie ich auf – jetzt saß sie schon auf meinem Bett, und ihre Finger bohrten sich in meine Seite … Ich aber lag in Ketten gebunden und konnte sie nicht von mir stoßen.

Wir kämpften miteinander – Tage – Wochen. Meine Jugend besiegte sie. Es kamen ganz stille Zeiten, wo die Schneeflocken leise vor meinen Fenstern niederfielen und nur hie und da von weitem ein lauter Ton an mein Ohr schlug: das Stampfen der Pferde im Stall, der Schlag der Domuhr, das lustige Lachen Klein-Ilschens.

Nun wußten die Ärzte endlich, woran ich litt: die Nierenentzündung, die mich so überwältigt hatte, ließ keinen Zweifel mehr daran. Ich mußte bewegungslos, grade gestreckt im Bette liegen, auch dann noch, als die Weiße mit den Mondaugen mich längst verlassen hatte. Statt ihrer spitzen Eisfinger in meinem Körper bohrten sich viele kalte Gedanken in mein Hirn.

Wo war ich? Hatte nicht der Morphiumrausch des Leichtsinns alles Gute, Starke in mir eingeschläfert? War ich nicht meinen großen Kinderhoffnungen untreu geworden? Oder: sie mir?! Tanzen, reiten, lachen, mit Herzen spielen, wie mit Federbällen – das Schwesterchen ein bißchen hätscheln, das Haus ein bißchen schmücken –, sollte das des Lebens einziger Inhalt sein? War ich mit sechs Jahren nicht reicher gewesen, wo ich mich als Jungfrau von Orleans träumte, als heute, nach einem Jahrzehnt? Und viel reicher damals, da ich mir den Baldurtempel baute? Ich grub – grub rastlos im verschütteten Schacht

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Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/214&oldid=- (Version vom 31.7.2018)