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Unterredung meinen Rat zu einer Tat werden lassen könnte.

Genehmigen Sie, hochverehrter Herr Oberst, den Ausdruck meiner ausgezeichneten Hochachtung,

mit der ich verbleibe 

Ihr ganz ergebener 
Eberhard     

Pfarrer     

„Nun, was sagst du dazu?“ fragte mein Vater, der immer ungeduldiger mit den Fingern auf dem Tisch trommelte, so daß Gläser und Tassen klirrten.

„Gemein!“ war das einzige, was ich zunächst hervorbringen konnte.

„Genau dasselbe habe ich gesagt!“ polterte Papa. „Ein netter unverdorbener Jüngling, der mit frommen Augenverdrehen hingeht und meine Tochter beim Herrn Oberbonzen verpetzt. Ich hätte Lust, dem Kerl die Hosen stramm zu ziehen und dem Eberhard die blauen Flecke als einzige Antwort zu zeigen!“

„Du solltest aber doch erst hören, lieber Hans, wie weit Alix schuldig ist,“ warf Mama erregt ein.

„Ich habe gesagt, was er schreibt, und bin bereit, es ihm ins Gesicht zu sagen!“ rief ich und warf trotzig den Kopf zurück.

Mama preßte die Lippen zusammen, was ihrem schönen Gesicht etwas Grausames gab. „Da hörst du es,“ sagte sie; „das sind die Früchte der religionslosen Erziehung. Du hast es nicht anders gewollt, und ich habe um des lieben Friedens willen nachgegeben. Jetzt aber hab ich genug, übergenug davon! Pfarrer Eberhard werde ich antworten.“

Empfohlene Zitierweise:
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/127&oldid=- (Version vom 31.7.2018)