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Viertes Kapitel


Nach monatelangem Aufenthalt in den Bergen kehrten wir heim. Der Wind, der um den weißen Schaum der Gießbäche und über das blauschimmernde Firneis fegt, bringt soviel frische Kühle zu Tal, daß krankhafte Fieberhitze ihm nimmer stand hält; und der friedliche Klang der Herdenglocken und das nächtliche Zirpen der Grillen im Gras zaubert den ruhigen Schlaf zurück, auch wenn er noch so lange untreu war. Ein überraschtes „Aber, Alixchen!“ von einem strahlenden Lächeln begleitet, war alles, was mein Vater zu sagen vermochte, als er uns in Posen wieder in Empfang nahm. Am nächsten Tage besuchten uns Verwandte, die dorthin versetzt worden waren; meine Kusine, die so alt war wie ich, ein kleines unansehnliches Geschöpfchen im kurzen Kinderkleid, sah staunend zu mir empor und sagte: „Du bist ja ein Fräulein!“ Bald darauf kam mein Lehrer. Wortlos blieb er einen Augenblick an der Türe stehen. „Wie – wie geht es – Ihnen?“ kam es dann zögernd über seine Lippen. Noch nie hatte er mich bis dahin „Sie“ genannt! Der Sepp von Grainau fiel mir ein, den ich in diesem Sommer nur mit Mühe dazu gebracht hatte, bei dem gewohnten „Du“ zu bleiben, und der Hans Guntersberg,

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Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/109&oldid=- (Version vom 31.7.2018)