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beachteten sie wenig, sie taten sich keinerlei Zwang an vor mir; „la petite“ hatte ihrer Meinung nach ebensowenig Augen und Ohren wie die Zofen und Lakaien, ja sie galt zuweilen als der harmloseste Liebesbote. Aber ich war nur allzubald gar nicht mehr harmlos: mit zitternder Neugier beobachtete ich ihre Tändeleien, ihre Stelldicheins, ihr Flüstern, ihre Küsse, und Wellen heißen Lebens, die mir über den Rücken fluteten, ließen mich dabei erbeben.

Als wir das letztemal vom Elsaß nach Karlsruhe zurückkehrten – acht Jahre war ich damals –, kamen mir mein Garten und mein Spielzeug merkwürdig fremd vor. Ein Stück harmloser Kindheit war mir inzwischen verloren gegangen. Gierig stürzte ich mich über alle Bücher, deren ich habhaft werden konnte, und wenn jemand mich zu ertappen drohte, steckte ich sie rasch unter Puckchens Kissen, der fast immer auf dem alten braunen Sofa neben mir lag. Wenn ich mir jetzt des Abends im Bett Geschichten erzählte, so klopfte mein Herz nicht aus Angst vor den Geistern, die ich rief und nicht zu bannen vermochte, sondern in heißer Erregung über das abenteuerliche Schicksal, als dessen Heldin ich mich selber träumte. Liebe, wie ich sie um mich gesehen hatte, Liebe, deren Wonnen und Schmerzen im Mittelpunkt all der Lieder, all der Erzählungen standen, die ich las, wurde zum Inhalt meiner Phantasien, und je kühler ich die Luft empfand, die mich daheim umwehte, um so durstiger wurde mein kleines Herz. Hatte ich doch schon lange den Feuerbrand im Innern heimlich genährt und gehütet, weil ich niemanden besaß, vor dem ich ihn als Opferflamme hätte aufsteigen

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Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/045&oldid=- (Version vom 31.7.2018)