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die Edda sagt von den Wahlküren, daß sie ohne Ruhe gewesen, immer (nach ihrer Arbeit, das Schicksal zu treiben, weben, orlog drygia) sich gesehnt[1], und in dem Wölundslied wird gerade erzählt, wie sie am Seestrand sich niedersenken, das Federgewand ablegen und köstlichen Flachs spinnen. Das ist nämlich der epische, sinnliche, aber bedeutungslos erscheinende Ausdruck für den alten tiefsinnigen: das Schicksal spinnen, weben. Auch die goldspinnenden Königstöchter in den Märchen sind nichts anders, als Glück und Reichthum spinnende, schaffende Schwanen-Jungfrauen. Und da die Spindel, das Rad, kreist, so fällt mit diesem Bild ein anderes, gleichfalls uraltes, in dem eddischen Mühlenlied schon ausgebildetes, zusammen, von einem Mühlenrad des Schicksals, welches alles, was der Wunsch verlangt (daher auch ein Wünschelrad) mahlt: Gold, Frieden und Krieg. Und so werden wir auf die noch fortdauernde Idee eines das Entgegengesetzte herumtreibenden Glücksrades, (wie es im Wigalois der König besitzt) geführt. Fast immer sind die goldspinnenden auch Hirtinnen, sie hüten Gänse, Schwäne, d. h. die Geister, was wiederum nur ein anderer Ausdruck für das Lenken, Bewachen des Schicksals ist.

Gleichfalls der Däumling (pollux) ist eine aus der Vorzeit übrige Götteridee. Er ist der die Heimath schützende, seine Geschwister aus der Noth rettende, immer wohl leitende und ohne Zweifel mit den Kabiren und Penaten verwandt, die ja

  1. Thrada, desiderio teneri, ist der Ausdruck, Völundarquida Str. 3. Thravalkyrior sagt der dunkle Hrafnagalldr am Eingang.
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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite XLII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_v_042.jpg&oldid=- (Version vom 10.3.2020)