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wolle, müße eins ausführen, das sie ihm aufgäbe; unternähme er’s aber und vollbrächte es nicht, so hätte er das Leben verloren.“ Es wollte sich aber niemand mehr melden, so viele hatten schon ihr Leben eingebüßt. Der Jüngling dachte, was hast du zu verlieren? du willst es wagen! trat vor den König und seine Tochter und meldete sich als Freier.

Da ward er hinausgeführt ans Meer, ein Ring hinabgeworfen und ihm aufgegeben, den Ring wieder herauszuholen. Auch wurde ihm gesagt, daß wenn er untertauche und käme ohne ihn in die Höhe, so würde er wieder ins Wasser gestürzt und müßte darin sterben. Darauf ward er allein gelassen und als er an dem Ufer stand und überlegte, was er wohl thun solle, um den Ring zu erlangen, sah er, wie die drei Fische, die er aus dem Rohr ins Wasser geworfen, daher geschwommen kamen; der mittelste hatte eine Muschel im Mund, die legte er an den Strand, dem Jüngling zu Füßen und als er sie öffnete, lag der Ring darin. Voll Freude brachte er ihn dem König und verlangte seine Tochter, diese aber, als sie hörte, daß er kein Königssohn wäre, wollte ihn nicht. Sie ging hinaus in den Garten, schüttete zehn Säcke voll Hirsen ins Gras und sprach: „die soll er auflesen, daß kein Körnchen fehlt und fertig seyn, Morgen eh die Sonne aufgeht.“ Nun hätte es der Jüngling nicht vollbracht, wo ihm nicht die treuen Thiere beigestanden hätten. Aber in der Nacht kam der Ameisenkönig mit seinen viel tausend Ameisen, die lasen in der Nacht allen Hirsen, trugen ihn in die Säcke und waren, eh die Morgensonne aufging, fertig, so daß kein Körnchen weggekommen

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_095.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)