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„Gewiß, Herr Oberst“, erwiderte Andres, ihm die Hand schüttelnd, die er zum Abschied hinhielt, „ich habe nur zu danken; der liebe Gott hat mir ja sonst schon viel mehr gegeben als ich brauche.“

Die Herren verließen den friedlichen Andres, und vor der Tür sagte der Doktor: „Dem ist wohler als dem anderen, der ihn zusammenschlagen wollte.“

Vom Joggi wurde eine traurige Geschichte umhergeboten, die alle Buben in der Schule beschäftigte und in große Teilnahme versetzte. Auch Otto brachte sie nach Hause und mußte sie jeden Tag ein paarmal wiederholen, denn jedesmal, wenn er daran dachte, machte sie ihm aufs neue einen großen Eindruck. Als man den Joggi an dem Abend lachend ins Armenhaus gebracht hatte, da war er aufgefordert worden, sein Goldstück abzugeben an einen seiner Führer, den Sohn des Friedensrichters. Joggi aber klemmte seine Faust noch besser zusammen und wollte nichts hergeben. Aber die beiden waren stärker als er; sie rissen ihm mit Gewalt die Faust auf, und der Friedensrichterssohn, der manchen Kratz von dem Joggi erhalten hatte während der Arbeit, sagte, als er das Goldstück endlich in Händen hatte: „So, jetzt wart nur, Joggi, du wirst schon deinen Lohn bekommen. Wart nur, bis sie kommen; sie werden dir's dann schon zeigen.“

Da hatte der Joggi angefangen furchtbar zu schreien und zu jammern, denn er glaubte, er werde geköpft, und seither aß er nicht und trank nicht und stöhnte und jammerte fortwährend, denn die Furcht und Angst vor dem Köpfen verfolgte ihn beständig. Schon zweimal war der Präsident und der Gemeindammann bei ihm gewesen und hatten ihm gesagt, er solle nur alles sagen, was er getan habe,

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Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_205.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)