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soeben von seinem Vetter-Götti geholt worden sei, entstand ein großer Aufruhr im Hause. Die Mutter konnte sich des Klagens und Jammerns nicht erwehren darüber, daß sie den Besuch bei der Kranken nicht mehr gemacht hatte, den sie zu machen sich schon seit einigen Tagen bestimmt vorgenommen; aber sie hatte keine Ahnung gehabt, daß das Ende der armen Frau so nahe sein konnte; sie war sehr betrübt und ergriffen.

Derweilen lief Otto mit ungeheuren Schritten der Aufregung das Zimmer auf und nieder und rief zornentbrannt einmal ums andere aus: „Es ist eine Ungerechtigkeit! Es ist eine Ungerechtigkeit! Aber wenn er ihm etwas zuleide tut, dann kann er nachher nur seine Rippen zählen, wie manche davon noch ganz ist!“

„Wen meinst du denn eigentlich, Otto, von wem sprichst du?“ unterbrach die Mutter den eifernden Sohn.

„Vom Chäppi“, erwiderte er; „was kann er dem Wiseli alles tun, wenn es mit ihm zusammenwohnen muß! Das ist eine Ungerechtigkeit! Aber er soll es nur probieren –.“ Hier wurde Otto wieder unterbrochen, indem ein wiederholtes, heftiges Stampfen seine Stimme übertönte.

„Was machst du für ein hirnerschütterndes Gerumpel, du Miez hinter dem Ofen!“ rief er aus, indem er seine Aufregung nun nach dieser Seite wandte. Miezchen kam hinter dem Ofen hervor und stampfte noch einmal mit großer Gewalt auf den Boden, denn es war bemüht, seine Füße wieder in die völlig nassen Stiefel hineinzuzwingen, welche ihm die alte Trine vor kurzer Zeit mit der größten Mühe ausgezogen hatte. Die Arbeit war sehr schwierig, und feuerrot von Anstrengung keuchte Miezchen hervor: „Du

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Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_174.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)