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einmal keinen Weg mehr vor dir siehst und es dir ganz schwer wird“ – so war es jetzt schon gekommen, und doch hatte es noch nicht gewußt, wie das kommen konnte, als die Mutter so sagte –, dann, hatte sie gesagt, solle es daran denken, wie es heiße in seinem Liede:

„Er wird auch Wege finden,
Da dein Fuß gehen kann.“

Jetzt verstand auch Wiseli mit einem Male, was die Worte bedeuteten, die es vorher nur so hingesagt hatte, denn es war noch nie in der Angst gewesen. Aber jetzt war es ja geradeso, daß es gar keinen Weg mehr vor sich sah und dachte, mit ihm sei es ganz aus, denn vor ihm stand gar nichts mehr als ein großer Schrecken vor jedem Augenblick in des Vetter-Göttis Haus. Es kam aber jetzt ein rechter Trost in sein Herz, wie es wieder und wieder so sagte:

„Er wird auch Wege finden,
Da dein Fuß gehen kann.“

So hatte Wiseli noch gar nie empfunden, was es sei, einen lieben Gott im Himmel zu haben, zu dem man rufen kann, wenn man sonst von gar niemandem mehr gehört wird; gar nie bis jetzt hatte es gewußt, wie wohl das tun kann. Es faltete jetzt ganz still seine Hände und fing sein Lied von vorn an, denn es wollte so gern noch etwas mehr vor dem lieben Gott sagen und zu ihm hinauf beten; es sagte auch jedes Wort mit seinem ganzen Herzen, wie nie vorher:

„Befiehl du deine Wege,
Und was dein Herze kränkt,
Der allertreusten Pflege
Des, der den Himmel lenkt.

Empfohlene Zitierweise:
Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_172.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)