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denn nicht alles noch rückgängig gemacht werden, oder doch eine gute Zeit lang hinausgeschoben werden und es noch bei seinem Vater bleiben könnte, es sei ja noch so jung. Da fing es denn zu weinen an und sagte, es habe ja ganz bestimmt sein Wort gegeben, und alles sei eingerichtet auf die Zeit, und dem Vater sei's recht. Nun sagte die Mutter nichts mehr, aber das arme Wisi weinte immer ärger; da nahm sie es denn bei der Hand und zog es zum Klavier hin, an den Platz, wo es immer stand, wenn wir zusammen sangen, und sagte in ihrem freundlichen Ton zu ihm: 'Trockne nun deine Tränen, wir wollen noch einmal zusammen singen'; dann schlug sie uns das Lied auf und wir sangen zusammen:

'Befiehl du deine Wege,
Und was dein Herze kränkt,
Der allertreusten Pflege
Des, der den Himmel lenkt.

Der Wolken, Luft und Winden
Gibt Wege, Lauf und Bahn,
Der wird auch Wege finden,
Da dein Fuß gehen kann.'

Wisi ging dann wieder ziemlich getröstet von uns, die Mutter hatte ihm noch einige freundliche Worte gesagt; aber mich hatte die Sache recht traurig gemacht, ich hatte ein ganz bestimmtes Gefühl, daß das arme Wisi seine frohen Tage nun hinter sich hatte, und dann dauerte mich der Andres unsäglich; was würde der sagen? Er sagte aber nie etwas, gar kein Wort, aber ein paar Jahre lang ging er herum wie ein Schatten und war noch stiller geworden als vorher, ich habe auch seither nie mehr sein still-fröhliches Gesicht gesehen, wie er es damals doch oft haben konnte.“

Empfohlene Zitierweise:
Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_151.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)