Seite:De Heimatlos (Spyri) 143.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


ich Weib und Kind und Hab' und Gut und alles anvertrauen wie keinem anderen; das ist der ehrlichste, wackerste Mann in unserer ganzen Gemeinde und noch weit darüber hinaus.“

„Jetzt siehst du, Max“, sagte die Frau lachend; „ich konnte doch nicht mehr sagen.“ Ihr Bruder lachte mit über den Eifer, in den der Oberst unversehens gefallen war. Dann entgegnete er: „Nun habt ihr mir alle so viel von eurem Wundermann vorerzählt, daß ich wirklich wissen möchte, woher er stammt und wie er aussieht. Habe ich ihn denn noch nicht gesehen hier?“

„Ach, du hast ihn ja so gut gekannt, Max“, entgegnete seine Schwester; „du mußt dich durchaus noch des Andres erinnern, mit dem wir zur Schule gingen. Weißt du denn nicht mehr, wie zwei Brüder zusammen in derselben Klasse mit dir waren? Der ältere war damals schon ein rechter Taugenichts; er war gar nicht dumm, aber tat nichts und blieb darum stecken und kam dann mit dem viel jüngeren Bruder in eine Klasse zusammen, in welcher du auch warst. Du mußt dich gewiß erinnern, er hieß Jörg und hatte ganz schwarzes, steifes Haar. Er bewarf uns, wo er konnte, mit irgend etwas, mit unreifen Äpfeln und Birnen und dann mit Schneeballen, und rief uns überall nach: 'Aristokratenbrut!'“

„O der, der“, rief Onkel Max lachend, „ja, nun weiß ich auf einmal alles. Richtig, 'Aristokratenbrut' rief er uns beständig nach; ich möchte nur wissen, wie ihm das Wort in den Sinn kam. Er war ein widerwärtiger Kerl; ich weiß. Da sah ich ihn einmal einen viel kleineren Jungen ganz unbarmherzig durchprügeln; dem half ich aber, dafür rief er mir wohl zwölfmal

Empfohlene Zitierweise:
Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_143.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)