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die Menschen riefen und schrieen durcheinander und schlugen vor Freuden die Fäuste auf den Tisch, und dann kamen sie alle mit ihren Gläsern auf den Rico los, und aus jedem sollte er trinken, und zwei schüttelten ihm die Hände und einer die Schultern, und alle miteinander schrieen ihn an und machten vor lauter Freudenspektakel dem Rico angst und bange, daß er immer blässer wurde. Er hatte aber ihr eigenes Peschiera-Lied gespielt, das nur ihnen gehörte und das nie ein Fremder lernen konnte, und er hatte es fest und rein gespielt, als wäre er einer von Peschiera; das konnten die lebhaft empfindenden Peschierianer gar nicht genug aussprechen und sich freuen über den Wundergeiger und Brüderschaft mit ihm trinken.

Nun aber kam die Wirtin dazwischen mit einem Teller voll Reis und einem großen Stück Huhn oben darauf; sie winkte dem Rico und sagte es den Leuten, sie sollten ihn in Ruh’ lassen, er müsse nun essen, er sei ja kreideweiß vor Anstrengung. Dann stellte sie seinen Teller auf einen kleinen Tisch in der Ecke und setzte sich zu ihm und ermunterte ihn, brav zu essen, das könne einem so mageren Bürschchen nur gut tun.

Rico fand auch sein Nachtessen vortrefflich, denn seit dem Kaffee am frühen Morgen hatte er keinen Bissen mehr gesehen, und zu dem Fasten hatte er so viel erlebt heute!

Sobald er auch seinen Teller leer hatte, fielen ihm die Augen zu vor Müdigkeit. Der Wirt war auch an den Tisch getreten und lobte den Rico für sein Spiel und fragte ihn, wem er angehöre und wohin er wolle. Rico sagte, indem er seine Augen mit Mühe offen hielt, er gehöre niemandem, und er wolle nirgendshin.

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Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_065.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)