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in seine Arme. Glückliches Thier! rief er aus, du wirst von ihren Händen berührt, du wirst von ihr belebt werden, anstatt daß lebendige vor ihr fliehen, um nicht ein trauriges Schicksal zu erfahren. Doch was sage ich traurig! ist es nicht viel betrübter und bänglicher durch ihre Gegenwart gelähmt zu werden, als es seyn würde von ihrer Hand zu sterben! Sieh mich an, sagte er zu der Alten; in meinen Jahren, welch einen elenden Zustand muß ich erdulden. Diesen Harnisch, den ich mit Ehren im Kriege getragen, diesen Purpur, den ich durch eine weise Regierung zu verdienen suchte, hat mir das Schicksal gelassen, jene als eine unnöthige Last, diesen als eine unbedeutende Zierde. Krone, Scepter und Schwert sind hinweg, ich bin übrigens so nackt und bedürftig, als jeder andere Erdensohn, denn so unselig wirken ihre schönen blauen Augen, daß sie allen lebendigen Wesen ihre Kraft nehmen, und daß diejenigen, die ihre berührende Hand nicht tödtet, sich in den Zustand lebendig wandelnder Schatten versetzt fühlen.

So fuhr er fort zu klagen und befriedigte die Neugierde der Alten keineswegs, welche nicht sowohl von seinem innern als von seinem äußern Zustande unterrichtet seyn wollte. Sie erfuhr weder den Namen seines Vaters noch seines Königreichs. Er streichelte den harten Mops, den die Sonnenstrahlen und der warme Busen des Jünglings als wenn er lebte erwärmt hatten. Er fragte viel nach dem Mann mit der Lampe, nach den Wirkungen

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Das Mährchen. Aus: Goethe’s Werke. Vollständige Ausgabe letzter Hand. Funfzehnter Band. Stuttgart und Tübingen, Cotta’sche Buchhandlung. 1829, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Goethe_Werke_LH_15_231.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)