Ein Käuzchen schrie hinter ihm, ein Zweig knackte, von einem Nachtvogel berührt, sonst war es athemlos still. Von den Sommergästen drunten am See war nichts mehr zu spüren, nur oben hinter einem Fenster des epheuumkränzten alten Schlosses blinkte die Lampe eines einsamen Kanzlisten. Gemächlich schlenderte er abwärts über den von Baumwurzeln holperigen Fußpfad. Es roch moosig und pilzig. „Schade, daß es nicht Frühling ist, – hier blüht es im April von Leberblumen und blutrother Erika, da hätt’ ich selbst in aller Dunkelheit wohl einen Strauß zusammengebracht. Nun müssen es Gartenrosen sein, – wenn nur recht frische morgen früh im Laden zu bekommen sind! Eine Kollektion Pilze, wie sie in ganz München nicht leicht einer so schön und gelehrt zusammenstellen könnte, wie ich, darf ich ihr doch gewiß nicht bringen. Sie würde mir’s als Pedanterie auslegen, wenn sie nicht etwa denkt, ich komme wie der Herr Nudelmeier daher mit einem Haufen selbstgelesener Schwammerling für die Küche!“ Er lachte laut auf über die heraufbeschworene Vorstellung. „Eigentlich sollt’ man mal so etwas machen, um zu sehen, ob das Herzenskind Humor hat! Aber vielleicht ist Humor kein so Frühlingsgewächs, zumal bei den Mädchen?“ Er konnte sich nicht klar werden, in der Erinnerung hatte er ein kleines, zartgefärbtes, blondes Wesen, reizend in jeder Bewegung, aber auf ihren gewöhnlichen Gesichtsausdruck besann
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/91&oldid=- (Version vom 31.7.2018)