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Es verhauchte wie ein Kuß. Lange saß er in Gedanken. Eine Furcht überfiel ihn, daß ihn Jemand so lieb haben sollte, ohne daß er etwas dazu gethan. Und sie steckte ihn schon an: konnte es auch nicht eigentlich Liebe heißen, es umspann ihn doch mit einem Netzwerk voll seiner Widerhäkchen; er war gezwungen, beständig an etwas zu denken, das sich ungerufen, eigenmächtig und hartnäckig in sein Leben gedrängt hatte. Dieses fremde, viel zu warme, viel zu liebevolle Empfinden eroberte ihn geradezu, entfremdete ihn sich selbst, machte ihn weich, sentimental, weiblich. Er mochte nicht erobert werden. Das gewisse Fräulein hätte hübsch warten sollen, wie es sich für ihr Geschlecht ziemte. Er wäre dann schon gekommen und hätte alles Nothwendige gesagt. Das war doch Männersache. Diese modernen Emancipationsgelüste waren in der Praxis entschieden demüthigend für die Männer. Und so schlau verfuhr diese Unbekannte, daß sie mit ihrer Person ganz dahinten blieb. Das war das Aergste. Sie hatte wohl eine Ahnung, daß ihr Hervortreten das Ende ihrer Macht bedeuten würde. Dann würde das normale Verhältnis sich gleich herstellen, dann hieße es „Mannshand haben“, und man küßte sich, hätte sich, und ließe die schönen Gefühle auf sich beruhen. Sie kämen dann gewiß nicht so an die Oberfläche; diese ewige Verpflichtung, etwas Zarteres, Edleres vorzustellen, als er eigentlich war, konnte zu

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Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/67&oldid=- (Version vom 19.8.2019)