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werden könnte – ein trauriger Tropf müßte ich sein; da wär’s gerade Zeit, sich dem Absinth zu ergeben, oder dem Morphium (auf Wein oder Bier verfiel er schon gar nicht!) oder dem Börsenspiel oder einer „Meitschi mit Batze“,[1] oder dem Antisemitismus, oder irgend einen anderen „Kühweg“ zu betreten, wie ihr ihn früher oder später alle einmal entlang trottet.

Aber es war nicht allein Trotz, es war auch ein ästhetisches Wohlbehagen an seiner neuen Umgebung. Und dann hatte ihm die Wirthin von Anfang an so gefallen. Ein zartes altes Frauchen, nicht größer als ein vierzehnjähriges Kind, mit einem feinen bleichen Gesichtchen, besonders der Mund mit den ein wenig herabgezogenen Winkeln war so unendlich fein. Und sie hatte etwas Anmuthiges in den Bewegungen und besonders in der Art, den Kopf hinten über zu legen, wenn sie mit ihm sprach, das ihm hier zu Lande noch nicht vorgekommen war. In Deutschland, ja, da kannte er so feine alte Frauen, nur hatten die etwas Starres, Formelles, nicht diese vogelartige graziöse Hurtigkeit, die an ein junges Mädchen erinnerte, diese anspruchslose Freundlichkeit, wenn er ihr auf der Treppe oder im Gang begegnete, diesen ganz zarten, wehmüthigen Duft, wie ihn eine welke Blume aushaucht, die einmal sehr lieblich, sehr schön gewesen.


  1. Mädchen mit Geld.
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Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/12&oldid=- (Version vom 19.8.2019)