Wie sie ihn heut Abend wieder verjüngt, verzaubert hatte! Es war doch sonst nicht seine Art, so ins Blaue hinein vorwärts zu marschieren, einfach der Nase nach, ohne eine Hand vor Augen zu sehen, wie ein verliebter Auerhahn. Die Gelegenheit, sich zu orientieren, war ungünstig, kein Frage. War das überhaupt, was er unter den Füßen hatte?
Mechanisch hatte er zusammentretende Zweige beiseite geschoben, war über Wurzeln und Gestrüpp gestiegen und den Felsbrocken ausgewichen, mit jenem Instinkt, den er längst bei seinen Bergwanderungen an sich ausgebildet hatte, und der wie ein sicher funktionierender Apparat ihm immer zur Hand war. Wenn es nur nicht so dunkel gewesen wäre! Jetzt, wo er begann, auf die Umgebung zu achten, ward ihm diese Unsichtigkeit lästig, er fühlte sich wie in einem Käfig, dessen Wände zwar vor seinen tastenden Händen zurückwichen, aber nur, um sich eine Spanne weiter von neuem um ihn herum aufzubauen. Das schöne Wetterlicht, das von Zeit zu Zeit den Wald erhellt hatte, war erloschen, kein Hauch ging durch die Bäume, der Auskunft gegeben hätte über eine Lichtung oder offenes Land – eng und schwül brütete es zwischen den nah aneinandergedrängten Stämmen – , das Wachszünderchen zeigte ihm nichts als Bäume, Bäume, dazu einen jäh abwärts führenden, schmalen, holperigen Holzweg, den er nun schon lange verfolgt haben mußte.
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/101&oldid=- (Version vom 19.8.2019)