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sich diesem Stande wenigstens äußerlich die geistlichen Würdenträger und der Stadtclerus an.

Diese Theilung des Volkes in zwei Hälften geht in ferne Jahrhunderte zurück. So weit man die Geschichte erforschen kann, haben sie sich zu keiner Zeit mit überlästiger Zuneigung behelligt, vielmehr oft mit dem Schwerte, oft in unblutigem Hader die streitenden Belange so kräftig geltend gemacht, als es nur die Umstände erlaubten.

Der Tiroler Adel ist zum größten Theile deutschen Ur­sprungs, und selbst solche Geschlechter in Wälschtirol, die sich mit römischen Tribunen und Senatoren als Ahnherrn brüsten, möchten die Quelle ihres Blutes wohl viel sicherer in irgend einem longobardischen Recken suchen als unter den alten Quiriten. Die eigentliche Zeit des Burgenbaues mag die der fränkischen Gaugrafen gewesen seyn. Damals waren die Eingewanderten­ bereits heimisch genug, um an feste Ansitze zu denken, und aus ihren Thürmen heraus begannen sie bald ihre Landsleute zur Ueberzeugung zu bringen, wer die Macht habe, sey auch im Rechte. So erstanden die Vesten immer dichter neben einander, bis im zwölften Jahrhundert jenes Kämpfen und Ringen der einzelnen Gaugrafengeschlechter und der hohen Pfaffheit begann, das mit dem Fall der Herzogs­macht, mit dem Untergang der Eppaner und der Bändigung der kleineren Gesellen endigte, sofort auch dem Conglomerat von Besitzthümern an Etsch und Inn die Tiroler Grafen als Oberherren und Taufpathen zurückließ. Von da an Zeiten des Streitens und Gehorchens, des Steigens und Fallens im Adel. Es erheben sich einzelne Geschlechter durch Gunst und Macht; die ganze Kaste eint sich im Adelsgericht zu Bozen; auf allen Landtagen spielt sie mit Nachdruck ihre Rolle. Rechte und Uebergriffe der Dynasten sind ebenso nachweisbar als anderswo, wie sich denn in der Gegend von Imst noch Leibeigenschaft bis ins sechzehnte Jahrhundert erhalten hat. Eine neue Höhe seiner Macht erreichte der Adel unter König Heinrich, der sich vergeblich mühte in den Städten einen Bürger­stand wie den der Reichsstädte heranzuziehen. Jener Zustand erhielt sich auch unter seiner Tochter Margareth. In ihren


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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München: , 1846, Seite 659. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_667.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)