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Als er so den Fußsteig am Berge herabkam, sah er vor sich eine schöne Wiese und jenseits der Wiese einen Wald, in welchem oben auf der Höhe ein dicker Rauch empor stieg. Rechter Hand einen Steinwurf von dem Wege lag ein Rübenacker, der rundum mit einem Faden umzogen war, an welchem alte Lumpen hingen, die, vom Winde bewegt, das Wild zu verscheuen bestimmt waren.

Der arme Peter eilte hin in die Wiese an den Bach, trank und setzte sich neben einer Erlenstaude auf den Rasen. Da er hungrig war, machte er seinen Sack auf und als er nur einen schmalen Bissen trockenen Brodes fand, gingen ihm die Augen über und die Thränen begannen zu fließen über die braunen Wangen. Seufzend sagte er zu sich selbst: O meine liebe Mutter! nun hab’ ich dich nicht mehr – du hattest immer Brod und wenn ich hungerte, gabst du mir. Er guckte wieder in den Sack, ließ alle Brodsamen zusammenrieseln und letzte seinen Hunger daran. O liebe Mutter! weinte er wieder, da liegst du hinter der Mauer in dem Kirchhofe und dein armer Peter geht nun allein in der Welt betteln, wie ein armes Küchlein, das seine Gluckhenne verloren hat.

Indem er so vor sich hinjammerte, fiel ihm das Rübenfeld in die Augen, aber seine Mutter hatte ihm oft gesagt, es sey nicht erlaubt, zu stehlen.

Nunmehr kam ein Mädchen, welches eine weiße Ziege an einem Bande leitete, um sie auf der Wiese neben dem Rübenfelde zu weiden. Es war ein bildschönes Mädchen, auch beiläufig zehn Jahre alt. Der Knabe machte sich auf und trat zu ihr. Mädel, sagte er, ich möchte gerne ein paar Rüben essen. Gehören sie dir und deinen Leuten? – Ja, wo bist du her? – Lieber Gott, ich habe keine Heimath; ich bin ein armer Bue und heiße Petrus. – Schau, Petrus, sagte das Mädchen mitleidig, du darfst keine Rüben essen. Wenn dich hungert, will ich die Marende mit dir theilen.

Sie zog sodann ein doppelt geschlagenes Butterbrod aus der Tasche und reichte es dem Knaben. Aber, sagte dieser, so hast ja du nicht genug. – O, ich bin nicht hungrig und esse mich den Abend wieder satt. – Alsbald nahm sie auch

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 548. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_556.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)