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sonst gezahlt hatten. Nun kam aber Herr Gabriel von Prack, des Bischofs Schloßhauptmann in Buchenstein, gen Enneberg. Auf den Knien betheuerten die armen Bauern ihre Unschuld, behaupteten nur ihre Schuldigkeit gethan und nichts Arges im Sinn gehabt zu haben, wollten gerne ins Gefängniß gehen und des Richterspruchs gewärtig seyn, aber es half nichts. Herr Gabriel schwang sein Schwert über sie, ließ sie sammt und sonders niedermetzeln und nach des Cardinals Befehl ihre Leichname den Vögeln der Luft zum Fraße aussetzen. Der Ritter von Prack gewann dadurch Ablaß seiner Sünden und einen vergoldeten Becher zum Geschenk vom hochwürdigen Kirchenfürsten. Die Aebtissin rief aber Erzherzog Sigmunden, den Landesfürsten von Tirol, zum Schutze auf und von dieser Zeit schrieb es sich her, daß die Grafen von Tirol auch von den Ennebergern die Huldigung forderten und die Hoheitsrechte über das Stift auszuüben anfingen, nicht ohne Einsprache der Fürstbischöfe von Brixen, welche die Aebtissinnen und die landesfürstlichen Commissäre in solchen Fällen noch etlichemal excommunicirten.

Es war ein altes Herkommen, daß die neuerwählte „gnädig gebietende“ Aebtissin sich von den stiftischen Zinsbauern huldigen ließ. Auf dem freien Platze zu St. Vigil vor dem Gerichtshause wurde eine Bühne aufgeschlagen und dort trat die Aebtissin, umgeben von den Frauen des Stifts und ihren Amtleuten, vor ihre Getreuen, und ließ sie schwören, ihrer „rechten und natürlichen Erbfürstin und Frau“ gehorsam und gewärtig zu seyn. Die Bauern auf der andern Seite begehrten dann von der gnädig Gebietenden Verwahrung vor neuen Lasten und Steuern und geriethen dabei, wenn die fürstliche Frau nicht mit ehrlichen Versprechungen zu Tage wollte, in großen Ungestüm, so daß seit dem Jahre 1732 die Huldigung lieber ganz unterlassen wurde. Dem Stift-Sonnenburgischen Gerichte Enneberg zu St. Vigil waren übrigens seit uralten Zeiten vier Männer mit dem Ehrentitel: Missier beigegeben, als Stellvertreter der Gemeinden Enneberg, Wengen, Abtei und Corvara und zur Besorgung der innern Verwaltung. Die Rechtshändel wurden vor die öffentliche Schranne

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 464. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_472.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)