Seite:De Drei Sommer in Tirol (Steub) 353.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ungarisch ausgenähten Hosen, Venus im Reifrocke, und wenn ich nicht irre mit Schönpflästerchen, sofort andere Gottheiten und sterbliche Menschen in analoger Darstellung. Auch ein werthvolles Archiv soll in diesem Edelsitze gewesen seyn, man hat es aber vorlängst korbweise in die Stadt geholt und Düten daraus gemacht. – Die Bündner Familien sind bis auf die Mohr zu Dornsberg alle ausgestorben oder wieder fortgezogen. Unter ihren Gliedern ist der meistgenannte Andreas Flugi von Aspermont, der sich während des bayerischen Einfalls 1703 als thätiger und kühner Mann hervorthat, voll kriegerischen Geistes, aber auch voll böser Anschläge und unerlaubter Gedanken. Er soll nicht unschuldig seyn an dem Tode Bigils von Hohenhausen, des Oberstwachtmeisters der Landmiliz, welcher damals von den aufgestandenen Bauern des Burggrafenamtes zu Saltaus in Passeyr als Verräther erschossen wurde. Auch sey er des Willens gewesen, das schöne Vintschgau seinem Vaterlande als republicanisches Angebinde darzubringen. Keinem der versetzten Bündner Herren schlugen aber die Meranerlüfte besser an als dem Freiherrn Bernhard Paravicini de Capellis. Man traut seinen Augen kaum, wenn man im Tiroler-Boten von 1825 liest, daß dieser, der am Anfang des vorigen Jahrhunderts nach Meran gekommen war und 1714 Rundeck und Rametz erkauft hatte, sich im zweiundachtzigsten Jahre zum viertenmale verehelichte und zwar mit einem jungen Freifräulein von Zinneberg, die ihm noch zweiundzwanzig Jahre den langen Spätherbst seiner Tage versüßte. In dieser glücklichen Ehe gebar die junge Freifrau zwölf Kinder, deren letztes – ein Monat nach dem Tode des Vaters zur Welt kam. Der alte Herr starb 104 Jahre alt 1770 zu Meran. Hufeland hat ihn als merkwürdiges Beispiel in seiner Makrobiotik erwähnt. – Die jüngste Erneuerung ist dem schönen Rametz auf der Maiser Halde angediehen. Dieses besitzt zur Zeit Franz Flarer, der, obwohl armer Leute Kind vom Dorf Tirol, der berühmteste Augenarzt Italiens geworden ist. Er hat zu Landshut, Wien und Pavia studirt und lebt jetzt als Professor an letzterer Universität. Jeden Herbst zieht er mit seiner anmuthigen

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_353.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)