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Zopf – wollte, obschon es nichts darein zu reden hatte, gleichwohl die günstige Gelegenheit, sich zu blamiren, nicht vorübergehen lassen, und legte ein Verbot auf das Fest. Derlei Beehrungen der „Ausländer“ seyen in der tirolischen Landesgeschichte unerhört, und eine solche Neuerung nicht erträglich; den Fremden sey alles zuzutrauen; sie wären am Ende boshaft genug, die fünfunddreißig Bundesflaggen wehen zu lassen, Was ist des Deutschen Vaterland zu singen, Oesterreich und dessen Zukunft leben zu lassen oder einen Toast auf die deutsche Einheit auszubringen, wie ihn Erzherzog Johann am Rheine ausgebracht. Das könnte Aufsehen machen, Aufsehen zu Innsbruck, Aufsehen zu Wien, Aufsehen überall. Die Meraner Bürger aber ließen sich von ihrem Vorsatze nicht abbringen. Ob Aufsehen oder nicht, sey ihnen gleichgültig; die tirolische Landesgeschichte könne diese und manche andre Neuerung ohne Schaden aufnehmen; das Fest sey den Gästen angesagt und könne nicht unterbleiben, ohne sie zu beleidigen; sie hätten keine Gründe sie zu verletzen, aber alle Ursache sie liebreich und ehrenvoll zu behandeln; sie würden sie höchstens bitten, die Bundesflaggen und die Toaste wegzulassen, um die Schwachen nicht zu erschrecken. Die Gemüther wurden schwierig und einzelne Würdenträger mitten in der Nacht aufgeschellt, um in den Rath zu kommen. Das Fest fand aber statt.

„Die alten übriggebliebenen Mauern schienen wie freudig erstaunt, der trotzige Thurm, von dem wieder einmal eine heitere Fahne flatterte, schaute verwundert nieder in den Jubel der sich so plötzlich eingelagert unter den Büschen und Trümmern, zu denen sich sonst kaum ein verfolgtes Vöglein flüchtet oder ein Wanderer versteigt, der in Ruhe ausblicken möchte nach den Thälern der Etsch und der Passer. Sie gedachten wohl ihrer jungen Jahre als statt des Eppichs goldene Gewebe sie deckten, und in ihrem Schutze König Heinrich seiner Tiroler Grafschaft Zinsen und Gaben verschwelgte dem böhmischen Königstitel zu Ehren, und sein Töchterlein Margarethe in ihrem Schatten zu der üppigen Rose erblühte, die Reiz und Dorn gleich gut zu gebrauchen verstand. Sie meinten wohl, als sie die langen gedeckten Tafeln sahen, die Lasten

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_313.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)