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und die gelbe Landstraße durchzieht. Ueber diesem Dorfe öffnet sich der weite Eingang ins heerdenreiche Kaunserthal, das hinten in eine Fernerwüste ausgeht und unter seinen Bergdörfchen auch eines zählt, wo Franz Zauner geboren wurde, der Bildner jener Reiterstatue Kaiser Josephs II, welche zu Wien im Burghofe steht, später auch nach seinem Geburtsort als Edler von Valpatann geadelt. Durch den Riß zieht in breiter Windung der griesreiche verheerende Faggenbach heraus und auf einer Seite steht eine jähe Wand, auf der andern eine lange, hohe Halde, ganz bunt, braun, grün, gelb von Brachäckern, Wiesen und wallenden Kornfeldern. Auch viele Obstbäume mengen sich darunter und aus solchen sticht der rothe Kirchturm von Kauns und das graue Gemäuer des Schlosses Berneck hervor, das einst Herrn Hansens von Müllinen Besitzthum war, der seinen Freund und Herzog Friedel da schützend beherbergte, in denselben schwierigen Zeitläuften, als er auch beim Rofner Bauer und auf dem Finailhof eine Freistätte suchen mußte. Weit drinnen im Thale prangt anspruchsvoll das große Gotteshaus von Kaltenbrunn, ein hochgefeierter Wallfahrtsort zu Ehren Unsrer Lieben Frau, der kampfgerüsteten Landesvertheidigerin, die in dem Tirolerkriege den Söhnen der Berge viel Tapferkeit einhauchte, wie das Lied erzählt, wo es heißt:

Und selgesmal zu Landeck hats a sakkrisch geschnellt;
Unsre Frau von Kaltenbrunn hat’s so haben gewellt. *)[1]



  1. *) Wahrscheinlich wird dieselbe kriegerische Madonna, deren Verehrung hier uralt ist, angerufen in dem wohl von einem tirolischen Landsknechte Herrn Georg von Frundsberg gedichteten Liede, welches Uhland in den deutschen Volksliedern (Stuttgart und Tübingen 1844, S. 533) mittheilt. Es lautet also:

    Unser liebe frawe
    vom kalten brunnen
    bescher uns armen landsknechten
    ein warme sunnen
    daß wir nit erfrieren!
    wol in des wirtes haus
    trag wir ein vollen seckel
    und ein lären wider auß.

    Die Wallfahrt soll ihr erstes Aufblühen einem Edelmann verdanken, der da im dreizehnten Jahrhundert zur Sühnung eines in Mailand verübten Mordes sein Leben als Büßer beschloß. WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_268.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)