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die in den Niederlanden oder jenseits des atlantischen Oceans zu eigenem Hauswesen gekommen, haben die Gewohnheit der Wiederkehr vergessen und sind in der Heimath fast verschollen. Deßwegen wird der alte Reichthum nicht mehr aufgefrischt, und andrerseits fehlt’s auch nicht an Gelegenheiten, wo er sich zerbröckelt. Ehemals wollte nämlich ein Lechthaler nur eine Lechthalerin heirathen und umgekehrt, aber als die vom Ausland nicht mehr heimkamen, legten die Mädchen des Thales ihr Vorurtheil ab, und nun mehren sich die Fälle, wo österreichische und bayerische Beamte und praktische Aerzte die blonden Erbinnen von Elbigenalp und Holzgau, von der Liebe geführt, den Bach hinunter geleiten und den verstaubten atlantischen Schätzen ein neues Feld eröffnen. Damit wollen wir indessen nicht läugnen, daß in diesen Dörfern noch immer ein Wohlstand zu finden, der etwas Wunderliches hat und der an Feiertagen durch die Pracht der Kleider und die festlichen Mähler ebenso hervortritt, als seine Fortdauer durch die stille Arbeitsamkeit, den einfachen Aufzug und die mäßige Nahrung der Werktage verbürgt wird.

Elbigenalp also, die eine dieser zwei großen Dorfschaften, besitzt zwar die älteste Pfarre im Lechthal, ist aber deßwegen wohl nicht auch zugleich der älteste Ort. Mir klang und klingt der Name immer wie Elmener – Elmingeralp, und ich meine das Dorf sey aus Sennhütten entstanden, die vor Alters den Elmenern angehört. So sehr aber diese kurzgehaltenen Leute geneigt seyn möchten, die wohlständigen Elbigenalper für ihre glücklichern Apöken anzusehen, so wenig Lust haben diese, ihre Urväter in dem unansehnlichen Elmen zu suchen. Scheint es doch fast als sprächen sie das b in Elbigenalp gerade deßwegen so scharf und bestimmt, um alle historische Anlehnung an jenes Dörfchen auch auf sprachlichem Wege fern zu halten. Um in diesem Sinne das Ihrige beizutragen, haben die Gelehrten von Elbigenalp sogar die künstlichsten Etymologien ersonnen. Sie leiten jetzt diesen Namen unter andern von einem altdeutschen Worte El ab, welches Wasser bedeutet habe, und -bigen soll daran erinnern, daß hier der

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_027.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)