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Ob nun auch Capitän Wang eine hohe Meinung von des jungen Gelehrten Talenten und persönlichen Eigenschaften hatte, so war doch Keaou Lẅan sein heissgeliebtes Kind, von dem er sich unmöglich trennen konnte; sie war in der Literatur bewandert, er bereits ein alter Mann; jedes öffentliche Zeugniss, jeden Brief, der auf dem Militärbüreau einging, zeigte und berieth er mit ihr; er vermochte nichts ohne sie zu thun; auch gönnte er dem Gedanken nicht Raum, dass sie fern von ihm in einem entlegenen Theile des Landes wohnen solle; kurz er zauderte und entschloss sich nie, seine Tochter Jemanden zur Gattin zu versprechen.

Tingchang ahnte, dass ihm seine Bewerbung bei dem Capitän nicht glücken würde, und sein Herz fühlte nur zu sehr die tiefe Wunde. Diese Empfindungen riefen in ihm folgenden Brief an das junge Fräulein hervor, überschrieben:

„Dein Freund und junger Bruder Tingchang von Sungling sendet Dir dies rohe Gekritzel mit den herzlichsten Grüssen –

Vom ersten Augenblick an, als ich Dein holdes Antlitz erblickte, kannte meine irrende Seele keine Ruhe mehr. Mann und Frau sind schon in einem frühern Leben für einander bestimmt; bis zum Tode bleiben sie sich treu; der Zwischenträger sagte mir, dass keine Zeit vermögend wäre – – meine Göttin bleibe noch in den tiefsten Geheimnissen des süssduftenden Zimmers, und ich gleiche dem Kaiser Taetsung aus der Tang-Dynastie[1], als er im Traume den Palast des Mondes verliess, und um die Nymphe


Empfohlene Zitierweise:
unbekannt, Adolf Böttger (Übersetzer): Die blutige Rache einer jungen Frau. Wilhelm Jurany, Leipzig 1847, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_blutige_Rache_einer_jungen_Frau.djvu/029&oldid=- (Version vom 31.7.2018)