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an, wo sie zuerst den herrlichen Jüngling[1] sah (obwohl sie sich innerlich schämte, von ihm erblickt worden zu sein), das Wörtchen „Liebe“ tief in ihrem Busen brennen. Ob auch ihr Mund keine Sylbe verrieth, flüsterte doch ihr Herz in der grössten Aufregung: „Ach! welch ein wunderschöner, artiger, junger Mann! Hätte ich solch einen Mann zum Gatten, würde ich als ein geschicktes Mädchen nicht umsonst gelebt haben.“

Mitten in dieser Träumerei sah sie plötzlich in leidenschaftlicher Hast ihre Minghea in das Haus eilen. Keaou Lẅan fragte sie sogleich: Hast Du mein gazenes Tuch oder nicht?

Minghea seufzte tief auf: Ach es ist ein sonderbares Geschäft! Das Tuch ist in den Händen eines jungen Herrn Chow, der im westlichen Hofe wohnt, es ist der nämliche hübsche, junge Mann in den maulbeerfarbigen Kleidern, der an der Mauerspalte stand und immer „bravo“ rief.

Nun gut, aber verlangtest Du es nicht von ihm? das wäre ganz recht gewesen!

Minghea darauf: Das könnt ihr wohl denken, und ich hab’ ihn auch so weit, dass ers mir wieder geben will.

Und warum gab er es Dir nicht gleich?

Warum? antwortete Minghea, er sagte mir, dass sein Familienname


  1. In China wird es einem jungen Mädchen für unschicklich ausgelegt, wenn sie von einer Person den andern Geschlechts gesehen wird. Diese Form ist indess oft verletzt worden und die jungen Chinesinnen lassen sich eben so gern sehen, wie ihre europäischen Schwestern, d. h. wenn sie sich im Besitz ungewöhnlicher Reize wissen.
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unbekannt, Adolf Böttger (Übersetzer): Die blutige Rache einer jungen Frau. Wilhelm Jurany, Leipzig 1847, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_blutige_Rache_einer_jungen_Frau.djvu/019&oldid=- (Version vom 31.7.2018)