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Forderung nach der Einberufung der Generalstände, – das heißt nichts anderes als unsere Kriegserklärung an den König, – haben keinen Augenblick den lauten Ruf meines Herzens nach Dir, Du Süße, zu ersticken vermocht.

Zu Zeiten der Gefahr gehören Liebende zueinander. Und jetzt, wo alles zusammenstürzt, wo die Götter, vor denen wir einstmals knieten, deren Unersättlichkeit wir in frommem Glauben Opfer um Opfer brachten, sich als tönerne Götzen erwiesen haben, wo die harte Faust einer eisengepanzerten Epoche alle Heiligtümer – die Ehe, die Familie, die Freundschaft, die Königstreue – der juwelenbesetzten Gewänder entkleideten, mit der die Jahrhunderte sie behängten, und armselige Gerüste uns nur noch entgegenstarren,–jetzt, meine Delphine, können befreite Menschen über die Trümmer hinweg sich ruhig die Hände reichen. Sie sind nicht nur die Baumeister neuen Menschenglücks, sie sind auch bestimmt, die Tempel der neuen Gottheit aufzurichten.

Doch warum spreche ich so zu Dir? Bedarf es der Überredung, wo nichts entscheiden soll, als das Gesetz in Dir?







Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an Delphine.
Paris, den 19. Juni 1787.


Meine Delphine – mein, trotz allem! Ich habe den ersten Sturm in meinem Innern erst austoben

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 427. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/433&oldid=- (Version vom 31.7.2018)