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Unter dem kleinen Landadel spürt man den Hauch eines neuen Geistes. Grade der Umstand, daß er verarmte, macht ihn fähig zur Aufnahme moderner Ideen. Um so leichter wird er die Steuerprivilegien fallen lassen, wenn er auf der anderen Seite sieht, daß die Finanziers, die „an Papieren Reichen“ zu neuen Steuern herangezogen werden. Mit den großen Grundbesitzern allerdings steht es anders. Der Marquis Montjoie hat unter ihnen die stärkste Anhängerschaft, und wenn der schlanke Greis mit dem Adlerprofil und den ruhigen Bewegungen seiner langen, blaugeäderten Hand vor die Versammlung tritt, um das ganze ehrwürdige Rüstzeug der Tradition gegen unsere neuen, unerprobten, blanken Waffen ins Feld zu führen, so hat er von vornherein gewonnenes Spiel. Jede Interessengemeinschaft mit dem dritten Stand lehnt er ab, am energischsten die mit den Parvenus, – „weil sie unsere Herrensitze usurpierten, glauben sie uns gleich zu stehen. Reich kann man werden, aber vornehm muß man sein.“ Selbst im Kampf gegen mich verläßt ihn nicht seine äußere Ruhe; nur ich höre den schärferen Ton seiner Stimme, und sehe das Aufblitzen unversöhnlichen Hasses in seinen Augen. Aber wir sind ja erst beim Vorpostengefecht; der Feldzug beginnt in Paris.

Einen einzigen Mißton, geliebte Frau, hat Dein letzter Brief in den reinen Akkord Deiner Liebes

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 414. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/420&oldid=- (Version vom 31.7.2018)