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Graf Guibert an Delphine.
Paris, den 26. August 1786.


Teuerste Marquise. Erst jetzt erfuhr ich, daß Sie Paris mit Saint-Cloud vertauschten. Ein böses Omen, würde ich sagen, wenn es sich um jemanden anders handeln würde, als um Sie. Denn wer heute den Hof sucht, ohne zu müssen, gehört zu seiner Partei.

Sie werden vermutlich von der Reise des Königs in die Normandie jetzt ein anderes Bild bekommen, als ich es Ihnen malte: weißgekleidete Mädchen, vor Rührung weinende Bauern, vivat-schreiende Massen, Männer und Frauen, die glücklich waren, wenn sie den Rock des Monarchen küssen konnten! So sieht jeder Fürst seine Untertanen, auch wenn sie alle schon heimlich den Dolch im Mantel trügen, um ihn in seine Brust zu stoßen. Die Krone und die Kirche haben, wenn sie all ihren Glanz entfalten, die gleiche faszinierende Gewalt. Der mystische Zauber, der sie umgibt, wirkt selbst auf die Ungläubigen.

Auch von den Regimentern, die der König inspizierte, sah er nur die neuen schönen Uniformen. Daß Glieder desselben Volkes darin stecken, das ihn in allen Wirtshäusern mit Spottliedern verfolgt und über alles räsonniert, was von der Regierung ausgeht; daß die Unzufriedenheit mit ihrer persönlichen Lage und mit der Frankreichs die

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 405. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/411&oldid=- (Version vom 31.7.2018)