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An der Schwierigkeit, die mir Abweichungen von den bloßen Formen der Vergangenheit bereiten, ermesse ich, wie fast unmöglich es einem absoluten Monarchen sein muß, mit ihrem Inhalt zu brechen.

Ich war kürzlich zur Tafel in Versailles. Der König sieht schlecht aus und ist merkwürdig ernst geworden; die Königin ist von forcierter Lustigkeit. Man sagt, daß die Zartheit des Dauphin ihr Sorgen bereite, die selbst der Anblick ihres blühenden zweiten Söhnchens nicht zu verscheuchen vermag. Sie hat die Farm im Park von Trianon, wo sie ihre fröhlichsten Stunden verlebte, zwölf armen Paaren zum Wohnsitz überlassen, und seit der unheilvollen Aufführung des Barbiers von Sevilla, die zwei Tage nach der Verhaftung Rohans stattfand, und wo die Königin es erleben mußte, vor einem halbleeren, beifallskargen Saal zu spielen, das kleine Theater nicht mehr betreten.

Erscheint mir nur die Welt so dunkel, weil Du sie mir nicht erhellst, sind es die reiferen Jahre, die sie uns nicht mehr im rosigen Licht der eigenen Jugend malen, oder ist sie wirklich umhüllt von gewitterschwüler Sommernacht? Mit dir, Geliebte, traue ich mir erst zu, der Wahrheit näher zu kommen.

Noch einer Begegnung muß ich gedenken: ich traf Herrn von Altenau im Klub. Er schien mich meiden zu wollen. Da er im Organ Neckers,

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 386. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/392&oldid=- (Version vom 31.7.2018)