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Wochen zurückdenken, die auch Ihnen notwendig waren.

Mein Aufenthalt hier wird höchstens zwei Monate dauern. Paris, wo der Pöbel überall das große Wort führt, und Versailles, wo nichts als Lakaiengesinnung herrscht, widern mich an.

Die Königin spielt ihre Schäferspiele jetzt nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Boudoir. Man erzählt sich in allen Pariser Kaffeehäusern, daß Chevreuse und Vaudreuil ihre Partner sind.

Herr von Calonne, den ich sprach, ist in schlechtester Stimmung. Er würde denjenigen zum höchsten Orden der Monarchie vorschlagen, der ihm die Möglichkeit einer neuen Steuer nachweisen könnte. Die unaufhörlichen Fürstenbesuche, – eben erst hat der König von Schweden Paris verlassen –, verschlingen Unsummen, was in dieser Zeit ungewöhnlicher Teuerung sehr verbitternd wirkt. In den ärmeren Stadtteilen von Paris hat die Polizei immer häufiger Revolten zu unterdrücken, an denen sich sogar Frauen beteiligen sollen. Über die Hilfsaktionen der königlichen Familie, des Adels und der Finanziers schwirren die Spottlieder durch ganz Paris. Daß der König von Schweden zehntausend Franken den Armen stiftete, und für dreimalhunderttausend allein in Sèvres Porzellan kaufte, daß Ihre Majestät fünfhundert Louisd'or für Suppen hergab und Mademoiselle Bertin zu gleicher Zeit tausend für eine neue Toilette –

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 364. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/370&oldid=- (Version vom 31.7.2018)