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Kardinal Prinz Louis Rohan an Delphine.
Straßburg, den 26. September 1780.


Die Sorge um Sie, teuerste Frau Marquise, verfolgte mich bis in meine Träume. Lassen Sie mich umgehend wissen, wie Sie den fürchterlichen – leider durch Ihre eigene Schuld fürchterlichen Abend überstanden haben. Wie konnten Sie nur den Zustand der Entrücktheit, in dem der Graf sich befand, so jäh unterbrechen, so daß er wie ein Toter zu Boden stürzte?! Ist der Gedanke, noch ein Kind bekommen zu können, Ihnen so schrecklich, daß er jenen Aufschrei äußerster Verzweiflung auslösen mußte? Wollen Sie die ehelichen Pflichten nicht mehr anerkennen, Pflichten, die leider auch unter dem korrumpierenden Einfluß antichristlicher Moral auf den Schutthaufen der Vergangenheit geworfen werden?

Mit dem hoheitsvollen Lächeln eines Überlegenen ging der Graf über den aufregenden Moment hinweg. Als er aber dann unter dem zauberhaften Licht der schwebenden Flamme aus Ihrem eigenen Ring Tropfen flüssigen Goldes, aus Ihrem eigenen Halsband schimmernde Edelsteine fallen ließ, und der Marquis und ich dem Wunder mit andächtigem Staunen zusahen, warum sprangen Sie auf und griffen in die Glut, so daß ihre weiße Hand sich mit roten Brandwunden bedeckte; warum

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/279&oldid=- (Version vom 31.7.2018)