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freute mich, auch in ihm einen jener seltenen Patrioten kennen zu lernen, die sich selbst nicht als Einzelnen, sondern als Teil des Ganzen fühlen. Er war sehr niedergeschlagen über das, was er vorgefunden hatte. „Amerika hat mir die Augen für Frankreich geöffnet,“ sagte er. „Dort ein Volk, das mit Hingabe aller Mittel und Kräfte für die Freiheit kämpft, hier eines, dessen einzelne Glieder den Boden ihres Vaterlandes betrachten wie erobertes Gebiet, das jeder nach besten Kräften für eignen Vorteil zu plündern sich berechtigt glaubt. Dort Männer, von denen jeder sich als Vaterlandsverteidiger fühlt, hier Offiziere, deren Schlafzimmer den Boudoiren der Kurtisanen gleichen und die einander durch nichts eifriger zu übertreffen begehren, als durch die Kostspieligkeit ihrer Mätressen.“

Im Laufe unserer langen Unterhaltung war ich versucht, auch Ihrer, teuerste Marquise, zu erwähnen und des merkwürdigen Zusammenhangs zwischen dem Namen des Prinzen und Ihrem gefährlichen Sturz, aber meine Diskretion siegte über meine Neugierde. Oder fürchtete ich am Ende im geheimen, einem ebenbürtigen Rivalen gegenüberzustehen?



Graf Guibert an Delphine.
Paris, am 21. Juli 1780.


Kaum hätte ich noch auf einen Brief von Ihnen, teuerste Marquise, zu hoffen gewagt, und ich

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/265&oldid=- (Version vom 31.7.2018)