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„War es amüsant in den Bädern am Barrêge?“ frugen Sie mich; „Sie waren, wie ich höre, in lustiger Gesellschaft!“ Dabei zuckte es um Ihren Mund, und der Ton Ihrer Stimme war ein Dolch, der mich armen Sünder durchbohren sollte. Sie versuchten sogar mir Ihre Hand zu entziehen, die ich in überströmender Dankbarkeit für dies Zeichen Ihrer Eifersucht, an meine Lippen preßte.

Ja, süße Delphine, es war sehr amüsant, und Mademoiselle Duthé eine reizende Trösterin für Ihre Untreue!

Meinen Sie, Guy Chevreuse könne ehrerbietig wartend im Vorsimmer stehen, bis seine Gebieterin die Gnade hat, ihn wieder zu empfangen? Jeder vertreibt sich die Zeit nach seinem Geschmack: Die Marquise, indem sie mit dem Grafen Guibert – philosophiert, und mit Herrn von Beaumarchais intriguiert, der Graf, indem er in den Bergen mit einer kleinen Freundin – die Natur bewundert.

Müssen wir einander nun mit Vorwürfen quälen? Die Liebe, schönste Frau, hat weder Vergangenheit, noch Zukunft, nur Gegenwart. Sie ist wie der farbenleuchtende Schmetterling, den wir gestern über den Oleanderblüten gaukeln sahen: wer denkt daran, daß er eine häßliche Raupe war, wer wüßte nicht, daß man ihn spießen muß, um ihn zu erhalten?…

Wollen mir morgen unsere Rollen zusammen lesen, verehrte Marquise? In Ihrem blauen Boudoir,

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/196&oldid=- (Version vom 31.7.2018)