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Tänzers für seine Sprünge wenigstens an diesem Abend der Gräfin allein zu überlassen!


Lucien Gaillard an Delphine.
Paris, den 30. Januar 1776.


Hochverehrte Frau Marquise. Weil Sie es wünschten, bin ich im Kloster zum Herzen Jesu gewesen. Ich erkannte meine Kinder nicht wieder. Buben, die mich angespuckt hatten, küßten mir die Hände und nannten mich „gnädiger Herr!“ Alle sind sauber und satt und lernten beten. Ich weiß nicht, warum mich die Lust ergriff, sie in die Höhlen ihres Elends zurückzubringen. Bleibt armen Leuten immer nur die Wahl zwischen der Knechtschaft der Seele und der des Körpers?

Sie müssen Nachsicht haben mit mir. Es ist mein Unglück, daß ich ebensowenig danken kann als bitten.

Meine Spaziergänge, nach denen Sie fragen, setze ich fort. Doch ich mache keine Listen mehr. Es lohnt sich nicht. Man müßte einen Strom von Gold durch die Häuser und Gassen leiten, um sie von Schmutz und Jammer rein zu waschen. Aber die großen Herren fürchten so sehr, zu verdursten, daß sie mit ihren Eimern und Flaschen schon an seinen Quellen stehn, um ihn abzufangen.

Gestern Nachts fand ich einen armen Jungen, einen Hessen, der über die Grenze gelaufen war, weil der Markgraf seine Untertanen gegen bare

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/174&oldid=- (Version vom 31.7.2018)