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Physiokraten über den Haufen stieß, denn sie entstand nicht als Folge der von diesen als so gräßlich geschilderten Mißstände, sondern entsprang dem Reformversuch Herrn Turgots, durch Freigabe des Mehl- und Getreidehandels jene Mißstände zu beseitigen. Ich kam gerade aus Versailles, wo ich den König zwar nicht traf – sein ganzes Interesse gehörte in diesem kritischen politischen Augenblick der Schnepfenjagd – und stieß in der Rue St. Honoré mit einem Haufen aufgeregten Volks zusammen, der mich nötigte, meinen Wagen zu verlassen. Junge Vagabunden, kreischende Weiber, alte Trunkenbolde, Dirnen und verwahrloste Kinder sperrten unter Führung einiger behäbiger Mehlhändler die Straße vollständig ab und brachen mit dem Gebrüll „nieder Turgot“ Türen und Fenster ein. Während des ganzen Tages hörte der Lärm nicht auf, so daß ich vorzog, mein endlich erreichtes Quartier nicht mehr zu verlassen.

Inzwischen hat der König von den Ereignissen erfahren; seine Haltung, als er Turgot gestern empfing, soll schon eine merklich kühle gewesen sein.

Zur rechten Zeit ist eine Broschüre Herrn Neckers erschienen, die sich gegen die Theorien der Ökonomisten wendet und die Folgen Turgotscher Reformpläne so voraussieht, wie sie bereits anfangen, einzutreten. So wenig ich nun auch diesen Mann goutiere, der nicht nur ein Bürgerlicher im tiefsten Sinne des Worts, sondern überdies noch ein

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/137&oldid=- (Version vom 31.7.2018)