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Verzeihen Sie die zitternde Greisenschrift dieses Briefes. Sie dürfen sich darum nicht sorgen, liebste Delphine, – so sehr mich auch diese Sorge beglückt –, denn es ist weniger die Schwäche, die sie verursacht, als die Erregung. Ich weiß jetzt, wie einem Wüstenwanderer zu Mute ist, der mit ausgedörrter Kehle und zerrissener Haut, dem Tode nahe, die schattende Kühle hoher Palmen, die klaren Wellen sprudelnden Quells vor sich sieht.



Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an Delphine.
Montbéliard, 30. April 1774.


Delphine, liebste Delphine, warum antworten Sie mir nicht?! Ich wartete in Paris vergebens darauf und hoffte, hier ein Lebenszeichen von Ihnen vorzufinden. Vergebens! War ich zu vorschnell, als ich aus Ihrer Sorge um mich auf einen Rest alter Neigung schloß? Als der Graf Chevreuse vor Dirnen und Roués von dem Mont de joie erzählte, auf dem er den Palast der Venus gefunden hat, glaubte ich die ganze Frechheit seines Wortspiels zu verstehen. Daß ich es tat, war eine Beleidigung gegen Sie, – und Sie hätten ein Recht, mich deshalb keines Wortes mehr zu würdigen.

Aber um unserer Kindheit willen, Delphine, die mir hier aus jedem Busch, jedem Wasserspiegel

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/079&oldid=- (Version vom 31.7.2018)