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widerstrahlen, aber doch eben nur – Steine sind

Sie verlangen aus der Heimat Neues zu hören. Von dem letzten längeren Aufenthalt des Herzogs von Württemberg in der Eremitage hat Ihnen meine Schwester wohl schon geschrieben. Er lebte sehr zurückgezogen, um sich von den Regierungsgeschäften zu erholen. Zu seiner Unterhaltung hatten wir Tänzerinnen aus Wien kommen lassen. Sie führten das Ballett „Medea“ von Noverre auf, das alle Zuschauer entzückte. Der Herzog verteilte eigenhändig kostbare Andenken unter die Mädchen.

Ihm und den zahlreichen anderen Gästen zu Ehren wurde dann eine große ländliche Hochzeit geplant. Mein Vater hatte durch den Kaplan von Etupes verkünden lassen, daß er zehn jungen Mädchen je ein Schwein schenken wolle, wenn sie heiraten würden, und meine Mutter hatte unseren Gästen schon das idyllische Fest in Aussicht gestellt. Statt dessen –, was meinen Sie wohl, was geschah? Einer der Vorschnitter erklärte unserem auf baldige Entschließung drängenden Haushofmeister, – die Gäste waren schon überaus ungeduldig, – daß die heiratsfähigen Mädchen und Burschen sich angesichts der großen Nahrungsnot entschlossen hätten, ledig zu bleiben. „Das Schwein würde von den Steuern gefressen, und unsere Kinder könnten verhungern,“ fügte der freche Mensch hinzu.

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/024&oldid=- (Version vom 31.7.2018)