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der Kirche bleiben. „Dießmal sollen sie mich in Frieden lassen“ sprach er und stieg hinauf, ganz oben auf die Orgel, damit er seine ordentliche Nachtruhe hätte. Es hatte aber kaum eilf Uhr auf dem Thurm geschlagen, so ging das Getös wieder los, nur dießmal viel ärger als in der vorigen Nacht, und auf einmal kam eine pechschwarze Dame mit einem großen feuerfarbenen Umhängetuch hinter dem Altar vor und ließ sich auf die Kniee fallen, gleich als ob sie eifrig beten wollte. „Zu unserm Herrgott betet die gewiß nicht“ sprach zu sich selber der Peter, „aber das goldige Umhängetuch sollte meiner Schwester auch nicht schlecht stehen, wenn sie Sonntags darin spazieren ginge.“ Wie er nun trotz seiner Bequemlichkeit doch eigentlich ein naseweiser Bursch war, kletterte er leise von seiner Orgel herab und schlich sich von hinten herbei an das knieende Weibsbild, riß ihr auch in einem Nu das Tuch von den Schultern herab und sprang wie ein Eichhorn wieder hinauf auf sein Plätzchen. Gar jämmerlich bat ihn da die Dame, er solle ihr doch das Tuch wieder herabwerfen, sie hätte ja kein anderes mehr, aber hinauf konnte sie nicht und dort unten redete sie dem Peter lange gut. Er legte sich wieder ruhig aufs Ohr bis zum anderen Morgen, und als der Alte mit dem Lehrer hineinkam hatten sie wohl Mühe ihn droben zu finden und aufzuwecken, aber im Fürchten hatte er es noch um kein Haar breit weiter gebracht. Dießmal war der Schulmeister fuchswild und sprach es sei an dem Bengel Hopfen und Malz verloren; aber zum dritten Male sollte es denn doch noch mit dem dummen Peter probirt werden.

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 411. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_411.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)