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aber auch so schön, wie man nur ein Mädchen sehen konnte und dazu gar freundlich und gut, nicht hochfahrend oder stolz. „Ach,“ dachte da der Soldat, „wenn ich jetzt Geld hätte, dann wäre Alles gut, dann käme ich mit vielen Wagen und Bedienten und großem Hofstaat und bäte den König um ihre Hand, statt daß ich nun wie ein armer Sünder dastehe und sie kaum anblicken darf, die schöne Prinzessin.“ Und er zog sein Bleistift aus dem Sack und schrieb sein Sprüchlein mitten auf die Thür: „Geld macht Alles aus.“

Am folgenden Morgen, als der König zu seiner Tochter gehen wollte, stand der Spruch da. Sogleich wurde der Soldat vor ihn in sein Zimmer geführt und der König frug ihn, warum er sich unterstanden habe, solches an die Thür der Prinzessin zu schreiben. Der Soldat dachte: „Sterben muß ich doch, da mag der König auch Alles wissen“ und er gestand ihm, daß er die Prinzessin liebe und ohne sie nicht leben könne, darum sei ihm der Tod am Ende ein willkommener Gast. „Wenn du meinst, daß Geld Alles ausmache,“ sprach der König, „dann sollst du dessen haben, soviel dein Herz begehrt; hast du aber binnen Jahresfrist die Liebe der Prinzessin nicht gewonnen, dann lasse ich dir den Kopf abschlagen.“ Da fiel der Soldat dem König zu Füßen und dankte ihm hunderttausendmal. Der König hielt sein Wort, er ließ den Soldaten aber in einen Thurm sperren und stellte zehn Mann Schildwache davor. Nun bekam der Soldat jeden Tag Tonnen voll Gold, aber was ihm fehlte war die Freiheit. Da fiel ihm wohl das Herz in die Schuhe, meinst du, aber ein rechter Mann verliert

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_074.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)