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Gegen Mittag kam er in einen Wald und da er des Weges nicht kundig war, verirrte er sich. Als er so dastand und nicht wußte wo aus noch wo ein, kam ein Jäger daher, der hatte sich gleichfalls verirrt und frug ihn um den rechten Weg. „Den sage du mir,“ sprach der Schuster. „Zwei können mehr als einer ausrichten“ erwiederte der Jäger, „drum laß uns zusammenhalten, dann kommen wir schon heraus.“ Das thaten sie, aber es wurde Abend und finstre Nacht und der Wald wollte immer noch kein Ende nehmen. Da stieg der Schuster auf einen hohen Eichbaum, schaute sich um und sah weit weit ein Lichtchen. Frischen Muthes gingen sie in der Richtung fort und kamen an ein kleines Haus, darin saß eine alte Frau, welche Kartoffeln schälte und Suppe kochte. „Können wir hier die Nacht über bleiben?“ frug der Schuster. „Nein,“ sprach die alte Frau, „geht vielmehr so schnell ihr könnt weiter, denn ihr seit in eine Räuberhöhle gerathen und wenn die Räuber euch finden, seit ihr euren Kopf los. Nachts um zwölf Uhr kommen ihrer zwölf mit ihrem Hauptmann und Mittags um zwölf Uhr kommen zwölf andere mit ihrem Hauptmann zum Essen. Die erste Parthie muß schon in der Nähe sein; sie setzen dem König nach, der sich im Walde verirrt hat, darum eilt und macht, daß ihr fortkommt, ehe sie euch treffen.“

„Das macht nichts,“ sprach der Schuster, „ich will uns schon heraushelfen; sage uns nur wie die Hauptleute heißen und was ihre Erkennungszeichen sind, und du Kamerad thu mir Alles nach, wie ich es dir vormache.“ Da sagte die Frau ihnen Alles, denn sie war den Räubern von Herzen feind und diente ihnen nur gezwungen.

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_066.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)