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eine lange Gasse zwischen den Zelten der Soldaten her, deren Boden war mit Teppichen von Sammet belegt, worin die kunstreichsten Stickereien zu sehen waren. Nachdem dieß Alles bereitet war, sandte sie einen Boten an den König und ließ ihm sagen, er solle ihr alsbald den Prinzen zu Pferde senden, welcher das Wasser des Lebens, das Wasser der Schönheit und das Wasser des Todes im Berge Muntserrat geholt habe, denn durch ihn sei sie erlöst.

Als die Botschaft in der Hauptstadt ankam, schwang sich der Aelteste alsbald zu Roß, denn die Nachricht von der schönen Frau mit dem mächtigen Kriegsheer hatte sich schnell verbreitet und der Prinz hätte sie gar zu gern zur Frau gehabt. Als er in vollem Rennen an die Gasse kam und die schönen Teppiche sah, da hielt er es für unerlaubt, darüber weg zu reiten, denn er fürchtete, sie zu verderben und er ritt nebenher, wo keine Teppiche lagen. Als die Frau das aber sah, rief sie ihm schon von ferne entgegen, er solle nur schnell wieder umkehren, so lieb ihm sein Leben sei, denn er sei nicht der Rechte. Das graue Männchen hatte ihr nämlich solches als Wahrzeichen gesagt, ihr Erlöser würde nicht an die schönen Teppiche denken, sondern aus lauter Freude sie wiederzufinden darüber hinreiten, als obs gemeines Gras wäre. Also mußte der Aelteste von den Prinzen umwenden und beschämt heimkehren.

Da machte sich der Zweite auf den Weg. Der hatte Anfangs der Teppiche nicht Acht und ritt darauf hin, aber sobald er bemerkte, daß das Pferd weicher auftrat und auf den Boden sah,

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_062.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)