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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

Wer gibt einem Kutscher für eine so kurze Fahrt zwei Mark, ohne nach dem Tarif zu fragen? Nur ein solch notorischer Verschwender. Nun hatte der Kutscher allerdings ausgesagt, daß er seinen Fahrgast am Alleehaus aufgenommen habe, einige hundert Meter von der Einmündung der Lindenstaffeln in die Allee entfernt, nach Lichtental zu, also in entgegengesetzter Richtung vom Bahnhof. Das konnte natürlich nicht stimmen, und so nahm denn der Staatsanwalt einfach an, daß der Kutscher Braun sich irre und daß ich in Wirklichkeit an den Lindenstaffeln beim Kaiserin-Augusta-Denkmal eingestiegen sei. Auf das Gedächtnis eines Droschkenkutschers ist ja nicht viel zu geben.

Braun war übrigens der einzige unter den Badener Zeugen, der mich ohne Bart gesehen hatte. Woraus die Anklage schloß, daß ich den Bart gleich nach der Tat abgerissen hatte.

Zuletzt geleitete der Untersuchungsrichter noch höchsteigenhändig eine vornehme alte Dame zu mir herein und fragte dieselbe, nachdem sie mich durchs Lorgnon beaugenscheinigt hatte: „Erkennen Exzellenz in dem Angeklagten die fragliche Person wieder?“

Die alte Dame nickte. „Ja, das ist er; kein Zweifel, das ist der fliegende Holländer.“

„Schaun Se,“ schmunzelte der Herr Wachtmeister, nachdem sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, „da hammer sogar eine kommandierende Generalswitwe, die Se gesehn hat. Zeuge von alle Sorte.“

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Und nun mußte ich schließlich auch noch nach Frankfurt geschleppt werden, zwecks Konfrontierung mit dem Hotelfriseur und dem Hotelportier. Am Bahnhof war wieder der „Herr Doktor“ zum Empfang erschienen, der mir fast den ganzen Tag nicht von der Seite wich und sich offenbar bei der Gelegenheit gern mit besonderem Ruhm bedeckt hätte.

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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/71&oldid=- (Version vom 31.7.2018)