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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

Ruhig sah ich ihm in die Augen. „Haben Sie keine Angst, mein lieber Inspektor, so weit sind wir noch nicht. Bedenken Sie, ich bin erst 25 Jahre alt. Da ist man nicht so schnell bereit, das Leben wegzuwerfen. Ich werde Ihnen keine Scherereien verursachen.“

„Verstehen Sie mich nicht falsch,“ entgegnete er, „es ist nicht die Sorge, daß Sie mir Scherereien verursachen könnten, die mich hierhergetrieben hat. Wenn ein Mensch entschlossen ist, seinem Leben ein Ende zu machen, so kann ihn niemand hindern. Das ist seine Privatangelegenheit, da hat keine Polizei und kein Gesetz dreinzureden ....“

„Na, na,“ unterbrach ich ihn, „wissen Sie nicht, daß das englische Recht den Selbstmord als Felonie bestraft?“

„Wie kann man einen Selbstmörder bestrafen?“

„Das Common Law kennt zwei Strafen. Erstens die Vermögenseinziehung. Und zweitens soll der Selbstmörder auf der Landstraße verscharrt und ihm ein Pfahl durch den Leib gestoßen werden.“

„So mag’s einmal im Mittelalter gewesen sein, heute ist das sicher nicht mehr Rechtens.“

„Ich glaube doch. Wenigstens ist es mir nicht bekannt, daß in der neueren Zeit durch Parlamentsakt da etwas geändert worden ist.“

„Lassen wir’s dahingestellt. Jedenfalls dürfte es, wenn Sie da in das Wasser hineinspringen, mit dem Pfahl seine Schwierigkeit haben. Ehe die Maschine gestoppt und ein Boot herabgelassen ist, sind Sie meilenweit entfernt. Nein, was ich sagen wollte, ist dieses: Sie haben einen schweren Kampf vor sich; Sie behaupten, unschuldig zu sein; man wird Sie für schuldig halten, wenn Sie sich dem Kampf um Ihr Recht auf diese Weise entziehen. Es läge auch so etwas wie Feigheit darin. Immer natürlich unter der Voraussetzung, daß Sie wirklich unschuldig sind.“

Ich blieb eine Weile schweigsam. Dann faßte ich ihn scharf ins Auge und sagte: „Es wäre mir interessant zu hören, wie Sie selber über diesen Punkt denken, Inspektor.“

„Was kann da viel daran liegen, ob ich so oder so denke? Offen

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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/45&oldid=- (Version vom 31.7.2018)