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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

haben wegen Unterschlagung. Er soll nach Bombay ausgeliefert werden. Natürlich ist er unschuldig. Aber er traut dem Landfrieden nicht, schimpft auf die Gesetze, die Gerichte und die Advokaten. Über hundert Pfund habe er einem der letzteren bezahlt, damit er die Auslieferung verhindere, und der Kerl habe nur eine Rede von knapp zehn Minuten gehalten. Und eine ganz jämmerliche, kraft- und saftlose Rede obendrein. Ich sagte ihm, wenn er unschuldig sei, solle er doch froh sein, so rasch wie möglich vor den zuständigen Richter zu kommen. Ach Gott, seufzte er, ich hätte gut reden, ich kennte die indischen Richter nicht. Dabei trocknete er sich mit einem ungeheuren, in allen Regenbogenfarben schillernden Taschentuch den kahlen Schädel – den kahlen, schuldigen Schädel, dachte ich.

Wie ich noch über das Zitat nachsinne, kommt mir plötzlich der Gedanke: so rasch bist du bei der Hand mit dem verdammenden Urteil! Was du nicht willst, daß man dir tu …

Mag er nun schuldig gewesen sein oder nicht, jedenfalls war der Inder kein ganz schlechter Mensch. Nachdem er sich das Herz ein wenig erleichtert hatte, brachte er Zigaretten zum Vorschein, bot zuerst dem Polizeimann eine an und mit dessen Erlaubnis dann auch jedem seiner Mitgefangenen. Es begann ein gewaltiges Qualmen, und bald war das Innere des Wagens mit Rauch erfüllt, der in dichten Schwaden durch das Fenster der Tür hinauszog, so daß ein Vorübergehender hätte glauben können, in der schwarzen Marie sei ein Brand ausgebrochen.

Der Wagen bog in einen Seitenweg ein, wir hielten vor dem großen eisernen Tor des Untersuchungsgefängnisses in Brixton.


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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/26&oldid=- (Version vom 31.7.2018)