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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

weiter annehmen können, daß der letztere, erschreckt über das Vorgefallene, sich schleunigst aus dem Staube machte, um nicht in eine Kriminalsache verwickelt zu werden. Aber mit dieser Annahme war die Tatsache unvereinbar, daß der Schuß aus allernächster Nähe – fast auf das Kleid aufgesetzt, wie die Sachverständigen erklärten – abgegeben war. Merkwürdig, wie die Nähe des Schusses war auch seine Richtung. Die Ermordete war von kleiner Statur, der Schuß ging von unten nach oben ins Herz. Einer der Zeugen, der alte Geheimrat, der die Sektion der Leiche vorgenommen hatte, demonstrierte den Geschworenen, wie ich bei der Abgabe des Schusses mich verhalten hatte. Ich sei schnell herbeigelaufen – bergab, bei beträchtlichem Gefäll –, habe mich unmittelbar hinter meinem Opfer niedergeduckt, den Revolver dicht an das Kleid herangehalten und dann geschossen. So sei die Schußrichtung von unten nach oben zu erklären. Überzeugend wirkte die Demonstration nicht; naheliegend war es, anzunehmen, daß der Täter auch von kleiner Statur gewesen war.

Meine Schwägerin wurde natürlich von dem Staatsanwalt gefragt, ob sie bezüglich der in die Lindenstaffeln einbiegenden Gestalt nichts Näheres angeben könne, insbesondere, ob ihrer Meinung nach ich der Mann gewesen sei. Sie versetzte darauf, es sei ihr unmöglich, etwas Näheres zu sagen, als daß es eine ziemlich große Gestalt in langem Mantel und, wie sie glaube, mit aufgeschlagenem Kragen gewesen sei; sie habe den Mann viel zu flüchtig gesehen, um ihn wiederzuerkennen. Daß ich es gewesen sei, habe sie nie geglaubt, da sie mich nicht für den Täter halte.

Erwähnenswert ist, daß sie die einzige in der Familie war, die mich nicht für den Täter hielt. Das heißt, damals nicht.

Nun kam der Kutscher Braun. Etwas aufgeregt erzählte er, wie er an dem Abend auf der Lichtentaler Allee beim Alleehaus einen Fahrgast aufgenommen und zum Bahnhof gefahren, wo ihm derselbe, ohne nach dem Tarif zu fragen, zwei Mark eingehändigt

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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/119&oldid=- (Version vom 31.7.2018)