Seite:De Das Todesurteil (Hau).djvu/117

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

ihr ärgerlich zu: „Ach was, gnädige Frau, den Österreicher haben Sie bloß geträumt.“

Nach diesem mysteriösen Österreicher ist in der Folge eifrig gefahndet worden. Man hat ihn nie gefunden. Wohl fand sich irgendein harmloser pensionierter Beamter, dessen Äußeres ungefähr der Beschreibung entsprach, aber der konnte zu seinem Glück ein Alibi nachweisen. Man nahm also an, daß dieser Unbekannte, der aller Wahrscheinlichkeit nach Zeuge der Tat gewesen sein mußte, sich nicht gemeldet hatte, weil er Scherereien befürchtete. „Oder vielleicht, weil er selber der Täter war“ – meinte mein Verteidiger.

Die beleidigenden Worte, mit denen der Staatsanwalt die unbequeme Zeugin abzutun versuchte, hatten ein interessantes Nachspiel. Der Gatte der Dame, Hauptmann a.D., schickte ihm deswegen seine Zeugen. Aber der Herr Staatsanwalt war nicht gesonnen, seine Haut zu riskieren wegen einer Äußerung, die er ex officio gemacht und die deswegen privilegiert war – wieder diese sonderbare Idee, daß ein Staatsanwalt sich gegen Angeklagte und Zeugen alles erlauben darf –, und lehnte ab. Nicht genug damit, er erhob Klage. Der Hauptmann wurde vor den Strafrichter zitiert und erhielt wegen Herausforderung zum Duell drei Monate Festung. Diese drei Monate saß er auf dem Ehrenbreitstein ab und schrieb dann eine Broschüre, betitelt „Für Wahrheit und Recht“, die in Karlsruhe sehr unangenehm empfunden wurde, zumal er Exemplare derselben den Allerhöchsten Herrschaften in die Hände zu spielen wußte.

Wie wichtig die Angaben der Frau v. R. waren, wurde erst erkennbar, wenn man sie zusammenhielt mit dem, was meine Schwägerin erzählte. Sie hatte sich am Nachmittag zu einem Kränzchen in die benachbarte Villa Engelhorn begeben. Am Abend erschien ihre Mutter in ziemlicher Aufregung, berichtete von dem Telephongespräch und forderte sie auf, mit zur Post zu gehen. Während sie die Kaiser-Wilhelm-Straße hinuntergingen, hörten sie

Empfohlene Zitierweise:
Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/117&oldid=- (Version vom 31.7.2018)