Geliebten zu hören, der hinter jedem Baum bald ein Band ihres Kleides flattern, bald die Spitze ihres Schuhes zu sehen glaubt, und dem bei jeder Krümmung des Waldsteiges das Herz pocht, weil er ihr plötzlich zu begegnen hofft. Ja, wir Verliebten sind dumm, aber wir möchten unsere glückliche Dummheit nicht mit der Weisheit des Aristoteles vertauschen. Als ich an die Stelle gekommen war, wo ich gestern Monica begegnet hatte, hörte ich plötzlich ihre helle Stimme aus dem Walde heraus mich rufen. Ich blickte in den Wald und sah sie auf einem breiten Baumstumpf sitzen, aber in demselben Augenblicke war sie auch schon aufgesprungen und kam hüpfend und laufend auf den Waldweg herunter. Während ich sie bis jetzt nur in einem bis zum Halse geschlossenen Kleide gesehen hatte, trug sie heute ein ausgeschnittenes Kleid, und Büste und Nacken, die frauenhafte Ueppigkeit zeigten, erhielten nur durch einen durchsichtigen Tüllstoff, durch den noch die glänzende weisse Haut schimmerte, den Anschein, verhüllt zu sein.
Daniel Spitzer: Das Herrenrecht. L. Rosner, Wien 1877, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Herrenrecht_Spitzer_Daniel.djvu/50&oldid=- (Version vom 31.7.2018)