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Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17

müssen, wenn man behauptet, dass sich die Sklaverei nur in einer Zeit entwickeln konnte, da jede sociale Gruppe mit jeder anderen in nothwendiger, principiell ununterbrochener Fehde lebte, da der Rechtskreis der einen Gruppe von der anderen nicht anerkannt wurde, da mit anderen Worten nur der Bürger frei und jeder Freie Bürger war[1].

Kriegsgefangenschaft (oder richtiger: Gefangenschaft des Fremden) ist überall die erste und eigentlich einzige Quelle der Sklaverei. Krieg muss den Krieg nähren in dem Sinne, dass die erbeuteten Sklaven die ökonomischen Verrichtungen zu versehen haben, denen ihre Herren wegen der beständigen Nöthigung, Waffen zu tragen, nicht obliegen können. Freilich muss also, damit sich die einzelne Gesellschaft auf die Sklaverei aufbauen kann, noch die zweite Voraussetzung hinzu kommen, dass die menschliche Arbeit schon Werth genug hat, um nicht nur den Arbeiter, den Sklaven, zu nähren, sondern auch noch über das Existenzminimum des Sklaven hinaus dem Herren einen Ertrag abzuwerfen; dies aber muss im allgemeinen dort eingetreten sein, wo in Folge der relativen Uebervölkerung, des Aneinanderdrängens der einzelnen socialen Gruppen der Raummangel zu einer intensiveren Ausnutzung der Naturproducte zwang. Wo dies noch nicht der Fall war, da schadeten die Sieger der gegnerischen Gruppe, indem sie so viele ihrer Mitglieder tödteten, als sie konnten; sie konnten aber nicht daran denken, die wirthschaftlichen Kräfte der Besiegten zum eigenen Vortheile auszunutzen. Diese Reihenfolge der Entwicklungsstufen und dieser Zusammenhang der ökonomischen und socialen Verhältnisse lässt sich überall verfolgen, wo unsere Nachrichten zur Beurtheilung hinreichen.

Jünger als die Sklaverei ist die Hörigkeit; aber auch sie reicht noch in vorhistorische Zeiten zurück. Charakteristische Momente für diese Institution sind die Bindung an die Scholle, die Abgabenpflicht und der Frohndienst. Vielleicht geht man nicht irre, wenn man die Entstehung der Hörigkeit in Griechenland

    Sklaverei im alten Rom (Festschrift f. Ihering. Zürich 1892) und das ältere bekannte Werk von Wallon, Histoire de l’esclavage dans l’antiquité (2. Aufl. Paris 1879).

  1. Vgl. Mommsen, Röm. St.-R. III¹. – Der Bürger, der seine Freiheit verwirkt hatte, wurde bei Griechen und Römern, wie bei den Germanen über die Grenze verkauft.
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Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17. Mohr, Freiburg i. Br. 1894, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_002.jpg&oldid=- (Version vom 4.5.2023)